90.000 Schüler/-innen an fast 600 Schulen beteiligten sich bundesweit am Anne Frank Tag 2024 »Der Geschichte auf der Spur«. Der Schulaktionstag gegen Antisemitismus und Rassismus findet jährlich am 12. Juni, dem Geburtstag Anne Franks statt. In diesem Jahr wäre das jüdische Mädchen 95 Jahre alt geworden. Auch das Augustinus-Gymnasium hat sich 2024 mit unterschiedlichen Aktionen am Anne-Frank-Tag des Anne-Frank-Zentrums beteiligt.

Im Lichthof wurde die Plakatausstellung zur Geschichte der Familie Frank vier Monate lang allen Mitgliedern der Schulfamilie zugänglich gemacht und von Klassen während des Unterrichts besucht. Parallel dazu lasen Deutschklassen das Tagebuch oder die Graphic Novel von Ari Folman und David Polonsky und recherchierten zu Anne Frank, etwa mit der WDR-AR-App 1933-1945 Die erste Augmented Reality (AR) App über den Zweiten Weltkrieg – Unterwegs im Westen – Fernsehen – WDR – Unterwegs im Westen – Fernsehen – WDR oder ausgehend vom Film „Triff Anne Frank“ mit dem Dossier von Kika und HR und der Sonder-Zeitung zum Anne Frank Tag 2024.

 Spuren vor Ort  

Zum Abschluss und in Anbindung an das Thema „Erinnerungskultur“ im Lehrplan der 11. Klassen konnten wir Herrn Dr. Sebastian Schott, den Leiter des Stadtarchivs, zu einem Vortrag gewinnen.  Schülerinnen und Schüler der Klassen 11a bis 11d lauschten 90 Minuten lang dessen sehr informativen Ausführungen zum Thema: Schicksale von Mitgliedern der Jüdischen Gemeinde in Weiden.

 

Er packte die Schülerinnen und Schüler auch dadurch, dass er von Gebäuden sprach, an denen sie auf ihrem Schulweg täglich vorbeikommen, etwa dem ehemaligen florierenden Kaufhaus von Max Krell in der Sedanstraße, das nach dem ‚Gesetz zum Schutz des deutschen Einzelhandels‘ 1933 boykottiert wurde, weshalb Max Krell 1936 Konkurs anmelden musste und schließlich verarmte. Diese Geschichte erscheint umso tragischer und absurder, als ebendieser Max Krell dem damaligen Hausierer Witt (heute Witt Weiden, Otto-Gruppe) Ware auf Pump überlassen haben und so überhaupt erst auf die Füße geholfen haben soll. Den wenigsten Zuhörern dürfte auch diese Geschichte bekannt gewesen sein: die Fläche ganz in der Nähe der Schule, auf der das Gericht erbaut wurde, war dem eigentlichen Besitzer, dem Viehhändler Leopold Engelmann durch Erpressung vom damaligen Bürgermeister Harbauer entzogen worden. Als Gegenleistung erwirkte die Stadt Weiden seine Befreiung aus dem KZ in Dachau und die Auswanderung nach Kenia.

Ein weiteres Schicksal berührte die Schülerinnen und Schülern unmittelbar, nämlich das von Wilhelm und Hermann Hausmann. Sie waren in den Jahren 1933-1936 Schüler unserer Schule, damals Humanistisches Gymnasium, und wurden so unerträglich gemobbt, dass sie in ein jüdisches Internat nach Hamburg wechselten. Später gaben ihre Verwandten in den USA keine Bürgschaft für sie ab, weshalb sie im April 1942 über Regensburg nach Polen deportiert wurden.

Woher stammten die Weidener Juden?

 Zur Klärung der Herkunft der Weidener Juden führte Herr Dr. Schott aus, dass viele aus Floß stammten, wo es seit Ende des 17. Jahrhunderts eine jüdische Gemeinde gegeben hatte, oder auch aus Böhmen; Gründe waren die Aufhebung des Matrikelparagraphen 1861, der Eisenbahnanschluss Weidens im Jahr 1863 und die Gleichstellung von Juden und Nichtjuden 1867 bei der Einwanderung nach Bayern. Meist kamen sie mit der Absicht nach Weiden, hier Handel zu treiben. Sie gründeten 1889 ein Jüdisches Gemeindehaus und den Synagogenverein in der Ringstraße (1938 verwüstet, 1948 an die Jüdische Gemeinde zurückgegeben; ebenso wie der Jüdische Friedhof am Fohlenweg). In der Ringstraße wurde auch unterrichtet. Lehrer dieser israelitischen Volksschule waren Josef Schüler und Emmanuel Strauß, der 1938 zwangspensioniert wurde, und dann nach Montevideo in Uruguay emigrierte, wo er bis 1949 als Vorbeter tätig war.

1933 gab es in Weiden 170 Juden, 1943 war Weiden fast judenfrei. Die letzten drei, ältere Mitglieder der Familie Kohner, wurden im Mai 1942 nach Theresienstadt deportiert.

50 Menschen in Weiden wurden von den Nationalsozialisten ermordet, die meisten emigrierten, z.B. nach Südamerika, Palästina, Kenia oder Shanghai. Nur eine Familie, die Friedmanns, kamen zurück und betreiben heute noch ein Bekleidungsgeschäft, um dessen Rückgabe sie kämpfen mussten.

Stolpersteine in Weiden

 Dr. Schott erläuterte den Schülerinnen und Schülern auch seine anfänglichen Bedenken gegen das Verlegen von Stolpersteinen in Weiden, die aber durch den Kontakt mit den überlebenden Nachfahren der Familien zerstreut wurden, für die diese Erinnerung sehr wichtig sei, wie sich bei der Verlegung der ersten Stolpersteine in Weiden im November 2022 für die Familie Kupfer zeigte (Die ersten Stolpersteine in Weiden für jüdische Familie: „Bückt euch und lest“ | OberpfalzECHO). Die Kupfers waren mit ihrer Glasfabrik einer von vier großen industriellen Arbeitgebern und beschäftigten 1924 300 Personen. Neun (!) von zehn (!) ihrer Kinder wurden in der Zeit des Nationalsozialismus ermordet.

Im November 2024 werden 18 Stolpersteine verlegt werden (Weitere Stolpersteine: Resonanz bei jungen Leuten und Nachfahren sehr positiv | OberpfalzECHO), u.a. für die Famile Boscowitz/Rebitzer, die in der heutigen Fußgängerzone ein Schuhgeschäft führte. Dr. Berthold Rebitzer war ein sehr beliebter Arzt, der auch den Komponisten Max Reger behandelte. Rosa Rebitzer und Dr. Hofmann führten eine Mischehe, die den Nationalsozialisten ein Dorn im Auge war. Da ihr Mann sich nicht von ihr scheiden lassen wollte, tauchte Rosa Rebitzer unter, wie Anne Frank, zunächst in Berlin, dann hielt sie sich in der Nähe von Weiden im Bahnwärterhaus auf. Sie überlebte.