Herr Völkl hatte die wunderbare Idee, einem jüdischen Schüler unserer Schule, der am 10. Mai 100 Jahre alt geworden wäre, ein Denkmal zu setzen. Am Montag, 12.5.25 gab es daher schon mal einen bewegenden Text zu hören (siehe Anhang unten) und danach (demnächst) eine Gedenktafel. Hermann Hausmann und sein Bruder waren in den Jahren 1933-1936 Schüler unserer Schule, damals Humanistisches Gymnasium, und wurden so unerträglich gemobbt, dass sie in ein jüdisches Internat nach Hamburg wechselten. Später gaben ihre Verwandten in den USA keine Bürgschaft für sie ab, weshalb sie im April 1942 über Regensburg nach Polen deportiert wurden. …

Foto: Quelle Stadtarchiv Weiden (in Absprache mit Sebastian Schott)

Heike Büchl

Liebe Mitschülerinnnen und Mitschüler, liebe Lehrkräfte,

Tim, Phillip oder Jonas!

So würden Schüler heute heißen.Doch wir wollen Euch von Hermann erzählen. Heute ein altertümlicher und nicht mehr gängiger Name. Doch vor einhundert Jahren war er häufig. Nichts Besonderes. Ein ganz normaler Name und ein ganz normaler Junge. Hermann. Hermann Hausmann. Auch der Familienname war ganz gewöhnlich …

Wenn da nicht zwei Besonderheiten wären.

Die eine: Hermann wäre vorgestern, am 10. Mai, 100 Jahre alt geworden.
Doch dazu kam es nicht. Er wurde nur achtzehn. Im Sommer spielte er vielleicht Fußball. Und im Winter Eishockey mit seinen Freunden. Bis er auf einmal nicht mehr einfach Hermann Hausmann, sondern der Judenjunge des Viehhändlers aus der Sedan-Straße war.

Das ist die zweite Besonderheit. Er war nicht katholisch und nicht evangelisch – er war jüdisch. Dies spielte in Deutschland plötzlich wieder eine Rolle.

Denn viele Menschen hatten einen Mann und seine Partei gewählt, der dieser Glaubensgemeinschaft voller Hass gegenüberstand: Hitler, der nun mit der NSDAP eine brutale Diktatur errichtet hatte.

Das war 1933, als Hermann gerade 8 Jahre alt wurde. Am Anfang bemerkte er noch nicht so viel. Er ging zur Grundschule und wechselte dann auf das Gymnasium. Es sollte etwas aus ihm werden. Doch mit der Zeit fiel ihm auf, dass manche seiner Freunde komisch wurden, keine Zeit mehr für ihn hatten und so gar nichts mehr mit ihm zu tun haben wollten.

Als er elf war, zerrten ihn Mitschüler in der Aula zu einem Wasserbecken und wollten ihn „zwangstaufen“. Hermann verstand vieles nicht mehr, so manches verwirrte ihn.

Er war gerade dreizehn, als eines Abends – es war jetzt November 1938 – Männer in braunen Uniformen schreiend durch die Straßen Deutschlands liefen. Auch in Weiden, drangen sie in Wohnungen und Häuser der jüdischen Mitbürger ein; sie schlugen, misshandelten, raubten.  Manche töteten sogar und zündeten die Gotteshäuser, die Synagogen, an.

Und Hermann, Hermann bekam Angst – Todesangst. Denn viele Menschen, sogar Polizei und Lehrer, sahen tatenlos zu.

Vieles hatte sich in den fünf Jahren in Weiden für Hermann und 200 weitere jüdische Mitbürger geändert. Langsam – schleichend – doch scheinbar unaufhaltsam.

Hermann konnte jetzt oft seinen Schulweg aus der Sedan-Straße in die Sebastian-Straße nicht mehr ohne Angst, oder gar ohne elterliche Begleitung gehen. Denn manche seiner Schulkameraden warteten schon auf ihn, um ihn zu verprügeln.

Ja, ihr habt richtig gehört: Sebastian-Straße.

Hermann war ein ehemaliger Schüler unserer Schule.

Er ging jeden Tag dieselbe Granittreppe wie ihr.
Er saß in den Klassenräumen, in denen auch ihr sitzt.

Er schaute nach draußen auf den Fischerberg, wie ihr es auch macht …

Bis er vierzehn war. Da durfte Hermann als „Jude“ keine öffentliche Schule und damit unsere Schule nicht mehr besuchen.

Bis er siebzehn war, musste er nun auf eine Privatschule in Hamburg – weit weg von seiner Familie gehen.

Anfang des Jahres 1942 kehrte er nach Weiden zurück. Doch nur für wenige Wochen. Am 3. April wurde er mit seinen Eltern, seinem Bruder, und noch weiteren acht Menschen jüdischen Glaubens von der Polizei abgeholt und zum Bahnhof gebracht. Es waren die letzten zwölf Mitglieder der israelitischen Gemeinde Weiden, die hier noch gelebt hatten.

Über ein Sammellager in Regensburg wurden dann mittlerweile 983 jüdische Menschen per Zug nach Polen in ein Arbeitslager bei Lublin deportiert und schließlich in das Ghetto Piaski verbracht, wo die gesamte Familie Hausmann ermordet wurde – bis auf Hermann. Sein letztes Lebenszeichen war ein Brief an alte Freunde in Weiden.

Für Hermann war die Reise noch nicht zu Ende. Er wurde in das Konzentrations- und Vernichtungslager Majdanek verschleppt. Was genau dort mit ihm geschah, ist nicht bekannt, außer, dass hier sein junges Leben endete.

Aber hier endet nicht unsere Aufgabe: Unterschiedliche Religionen, Hautfarben oder Sprachen dürfen keine Rolle spielen – sie alle verbindet das Band des Mensch-Seins. Es ist unser aller Aufgabe, dass wir „Schule ohne Rassismus“ – 80 Jahre nach Ende des Nationalsozialismus – mit Leben füllen.

Wenn ihr künftig durch das alte Treppenhaus oder die alten Gänge in dieser Schule

geht, vielleicht denkt ihr manchmal an Hermann Hausmann, der vorgestern 100 Jahre alt geworden wäre.

Im Gedenken an Hermann Hausmann bitten wir euch nun, dass ihr euch zu einer SCHWEIGEMINUTE erhebt.

Zum Gedenken an Danke für eure Aufmerksamkeit!